„Alles, alles muß hier langsam und verkehrt laufen, damit der Mensch nicht hochmütig werde, damit der Mensch traurig und verwirrt sei.“
So schreibt Wenedikt Jerofejew.
Und selten hat mich Geschriebenes so verwirrt, gebannt, begeistert und zum Grinsen gebracht, wie sein Buch Die Reise nach Petuschki – Ein Poem.
Gut, die Tatsache, dass man das Buch immer nur in kleinen Dosen von bis zu fünf langsam gelesenen Seiten täglich zu sich nehmen sollte, um sich die geistige Gesundheit zu erhalten und nicht dem alkoholisierten Wahn im Inneren des Protagonistenkopfes zu verfallen, ist vorab schon zu erwähnen.
Ansonsten vergnügt man sich, fährt Zug von Moskau nach Petuschki, wobei die Kapitel jeweils nach den Stationsstrecken benannt worden sind (irgendwann muss ich diese Strecke auch mal Fahren), auf denen er sich grad befindet, der Geliebten entgegen, einem lichtgestaltähnlich entfernten Weib in vielerlei Hinsicht.
Dabei wird nicht nur getrunken, sondern gesoffen. Gesoffen, schreibt Wenja, wird in Russland nur so, dass allein die Grammmenge reinen Alkohols zählt. Und alle machen mit. Ist es da ein Wunder, dass fabulöse Gestalten die Reise teilen und ein Schaffner sich auch schon mal mit Alkohol bezahlen lässt?
Allein die Tragik, dass Wenja den Kreml als Moskoviter noch nie gesehen hat, weil er jedes Mal wenn er sich aufmacht, nur betrunken am Kursker Bahnhof erwacht, spricht Bände:
„...Überall heißt es: der Kreml, der Kreml. Das habe ich von allen gehört, aber gesehen habe ich den Kreml nie. Wie oft schon (tausendmal), wenn ich betrunken oder verkatert war, bin ich durch Moskau gegangen, von Nord nach Süd, von West nach Ost, von einem Ende zum andern, doch nie habe ich den Kreml gesehen.
Auch gestern habe ich ihn nicht gesehen, dabei bin ich den ganzen Abend in dieser Gegend herumgelaufen, und so furchtbar betrunken war ich gar nicht, denn nachdem ich am Bahnhof ausgestiegen war, trank ich für den Anfang ein Glas Zubrowka, weil ich aus Erfahrung weiß, dass der Menschheit als morgendlicher Katerschluck bisher nichts Besseres eingefallen ist.
Ja. Ein Glas Zubrowka. Dann - anderswo - ein weiteres Glas, aber nicht Zubrowka, sondern Korianderschnaps. Ein Bekannter von mir sagt, der wirkt auf den Menschen antihuman, das heißt, er kräftigt alle Glieder und schwächt die Seele. Bei mir war es aus irgendwelchen Gründen genau umgekehrt, das heißt, meine Seele kräftigte sich in höchstem Maße, und die Glieder erschlafften, aber ich will zugeben, dass auch dies antihuman ist. Darum warf ich gleich noch zwei Gläser Shiguljowskoje-Bier nach und ein Fläschchen Kölnisch Wasser.
Ihr werdet jetzt natürlich fragen: Und weiter, Wenitschka, was hast du dann getrunken? Das weiß ich selber nicht genau. Ich erinnere mich ganz deutlich, dass ich irgendwo noch zwei Jägerschnäpse trank. Aber ich kann den Sadowoje-Ring unmöglich überquert haben, ohne vorher noch etwas getrunken zu haben. Ausgeschlossen. Also habe ich noch etwas getrunken.
Danach bin ich ins Zentrum gegangen, denn das ist immer so bei mir: Wenn ich den Kreml suche, lande ich unweigerlich am Kursker Bahnhof. Da musste ich ja eigentlich auch hin, nicht ins Zentrum, trotzdem ging ich ins Zentrum, um wenigstens einmal den Kreml anzuschauen. Ich krieg den Kreml ja doch nicht zu sehen, habe ich mir gedacht, und lande gleich beim Kursker Bahnhof.“
Ein geniales Buch, das den Geist fesselt und zugleich befreit. Nastrovje!
So schreibt Wenedikt Jerofejew.
Und selten hat mich Geschriebenes so verwirrt, gebannt, begeistert und zum Grinsen gebracht, wie sein Buch Die Reise nach Petuschki – Ein Poem.
Gut, die Tatsache, dass man das Buch immer nur in kleinen Dosen von bis zu fünf langsam gelesenen Seiten täglich zu sich nehmen sollte, um sich die geistige Gesundheit zu erhalten und nicht dem alkoholisierten Wahn im Inneren des Protagonistenkopfes zu verfallen, ist vorab schon zu erwähnen.
Ansonsten vergnügt man sich, fährt Zug von Moskau nach Petuschki, wobei die Kapitel jeweils nach den Stationsstrecken benannt worden sind (irgendwann muss ich diese Strecke auch mal Fahren), auf denen er sich grad befindet, der Geliebten entgegen, einem lichtgestaltähnlich entfernten Weib in vielerlei Hinsicht.
Dabei wird nicht nur getrunken, sondern gesoffen. Gesoffen, schreibt Wenja, wird in Russland nur so, dass allein die Grammmenge reinen Alkohols zählt. Und alle machen mit. Ist es da ein Wunder, dass fabulöse Gestalten die Reise teilen und ein Schaffner sich auch schon mal mit Alkohol bezahlen lässt?
Allein die Tragik, dass Wenja den Kreml als Moskoviter noch nie gesehen hat, weil er jedes Mal wenn er sich aufmacht, nur betrunken am Kursker Bahnhof erwacht, spricht Bände:
„...Überall heißt es: der Kreml, der Kreml. Das habe ich von allen gehört, aber gesehen habe ich den Kreml nie. Wie oft schon (tausendmal), wenn ich betrunken oder verkatert war, bin ich durch Moskau gegangen, von Nord nach Süd, von West nach Ost, von einem Ende zum andern, doch nie habe ich den Kreml gesehen.
Auch gestern habe ich ihn nicht gesehen, dabei bin ich den ganzen Abend in dieser Gegend herumgelaufen, und so furchtbar betrunken war ich gar nicht, denn nachdem ich am Bahnhof ausgestiegen war, trank ich für den Anfang ein Glas Zubrowka, weil ich aus Erfahrung weiß, dass der Menschheit als morgendlicher Katerschluck bisher nichts Besseres eingefallen ist.
Ja. Ein Glas Zubrowka. Dann - anderswo - ein weiteres Glas, aber nicht Zubrowka, sondern Korianderschnaps. Ein Bekannter von mir sagt, der wirkt auf den Menschen antihuman, das heißt, er kräftigt alle Glieder und schwächt die Seele. Bei mir war es aus irgendwelchen Gründen genau umgekehrt, das heißt, meine Seele kräftigte sich in höchstem Maße, und die Glieder erschlafften, aber ich will zugeben, dass auch dies antihuman ist. Darum warf ich gleich noch zwei Gläser Shiguljowskoje-Bier nach und ein Fläschchen Kölnisch Wasser.
Ihr werdet jetzt natürlich fragen: Und weiter, Wenitschka, was hast du dann getrunken? Das weiß ich selber nicht genau. Ich erinnere mich ganz deutlich, dass ich irgendwo noch zwei Jägerschnäpse trank. Aber ich kann den Sadowoje-Ring unmöglich überquert haben, ohne vorher noch etwas getrunken zu haben. Ausgeschlossen. Also habe ich noch etwas getrunken.
Danach bin ich ins Zentrum gegangen, denn das ist immer so bei mir: Wenn ich den Kreml suche, lande ich unweigerlich am Kursker Bahnhof. Da musste ich ja eigentlich auch hin, nicht ins Zentrum, trotzdem ging ich ins Zentrum, um wenigstens einmal den Kreml anzuschauen. Ich krieg den Kreml ja doch nicht zu sehen, habe ich mir gedacht, und lande gleich beim Kursker Bahnhof.“
Ein geniales Buch, das den Geist fesselt und zugleich befreit. Nastrovje!
3 Kommentare:
Da muss ich wohl mal die Wodkaflasche weglegen und bei Amazon reinschauen, wie?
Legen Sie! Legen Sie! Das Buch alleine reicht für einen Rausch, bzw. Kater schon beim Lesen.
Und? schonmal die Rezeptvorschläge nachgearbeitet? Verdammt schwierig, hier ordentliches Fußschweißpulver aufzutreiben...
lotan
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